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6 Dinge, die ich dies Jahr gelernt habe

„Und im neuen Jahr 2015 verfolgen wir die weltweiten Umwälzungen und ihre Auswirkungen  bis nach Chemnitz und überallhin. Dafür hoffe ich auf Offenheit, etwas zu erkennen und die Bereitschaft, es zu tun.“

Gerade las ich meinen Weihnachtsblogbeitrag vom letzten Jahr, der mit diesen Worten endete. Klingt direkt prophetisch. Aber ich habe über den wachsenden Onlinehandel geschrieben, nicht über Flüchtlinge. Was habe ich dies Jahr gelernt?

  1. Die Hoffnung auf Offenheit und Bereitschaft, die ich formuliert habe,  richtet sich beim Thema Flüchtlinge auch an mich selbst. Als Syrer auf unsere Etage gezogen sind, brauchte ich erst eine Weile, um die Fremdheitsgefühle zu überwinden. Heute sind nachbarschaftlich-freundschaftliche Beziehungen gewachsen. Ich habe Verständigung mit Händen und Füßen und technischen Hilfsmitteln gelernt.
  2. Dass Not anders wirkt, wenn sie ein Gesicht kriegt, dass Hilferufe eher gehört werden, wenn sie uns aus der Nähe erreichen, dass einzelne Not nicht so mobilisiert wie die große Zahl, das weiß ich aus der Obdachlosenhilfe in Hamburg, die durch Hinz & Kunzt verändert wurde. Und aus dem großen Tsunami mit vielen betroffenen deutschen Weihnachtsurlaubern. Aber diese Beispiele waren winzig, verglichen mit dem Zuzug der Flüchtlinge. Es ist nicht mehr die Not einer begrenzten Gruppe oder fern ab, sondern vielfältig und massiv. Ein riesiges Thema Nr. 1.
  3. Ein „Wir schaffen das“ öffnet zwar die Tür, welche das verquere Dublin-Abkommen geschlossen hatte, aber macht keine jahrzehntelange praktische Abschottung wett. Kein Wunder, dass bei der Aufnahme der Flüchtlinge Chaos herrscht. Zum Beispiel las ich heute, dass mit einem Flüchtlingsausweis die Doppelerfassung von Daten beendet werden soll. Oder gestern, dass die Flüchtlinge in Sachsen eine Infobroschüre in ihrer Sprache bekommen sollen. Das hätte ich nicht für etwas Neues gehalten, aber es ist so, das habe ich in diesem Jahr gelernt. Und wer weiß, was aus diesen Ankündigungen wird. „Change by design or by desaster?“
  4. Probleme schaffen Verdruss bei denen, die sie erleiden. Aber auch bei denen, die im wesentlichen zugucken, wie „die Verantwortlichen“ in der Krise stolpern. Ich habe gelernt, wie diese Mischung von Fremdheitsgefühlen, Unwissen, Verunsicherung und mangelnder Nächstenliebe zu Wut und Hass führen. Leider bietet meine neue Heimat dafür einen besonderen Nährboden. Einen Beitrag dazu habe ich hier geschrieben. Es ist bitter, die Umrisse der alten DDR in Karten der rechten Facebookseiten und gewalttätigen Übergriffe wieder zu erkennen.
  5. Nach dieser kritischen Aufzählung folgt in Kommentaren dann gern das Lob der ehrenamtlichen Hilfe. Auch das ist hier nicht so massiv sichtbar wie zum Beispiel in Hamburg.  Aber es strahlt um so heller. Viele junge Leute wollen helfen, starten Projekte, organisieren sich selbst. Ich habe neue Leute kennengelernt. Und in unserem eigenen Projekt viel gelernt. Die „Brückenbauer Chemnitz e. V.“ habe ich erst nur unterstützt, dann wurde es mehr. Diese Website ist unser Tool für Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung. Hier bin ich ehrenamtlich aktiv. Den Heiligabend verbrachte ich mit Flüchtlingen in der Brücke.
  6. Beiträge mit solchen abgezählten Punkten hatte ich bisher nur leichte Lektüre gehalten, auf Klicks aus. Doch ich habe gelernt, dass Medien wie die HuffingtonPost, Bands und Prominente früher oder später sich lösungsorientiert in die Debatte einmischten. Auch die Freie Presse in Chemnitz mischt tapfer mit. Die Spaltung Deutschlands fordert heraus, Stellung zu beziehen. Es gibt keine einfachen Antworten, nur die eine Wahrheit, dass wir gemeinsam auf dieser Erde leben müssen. – Und ich glaube, dass Gott es uns ermöglicht, dass wir es schaffen, weil er uns allen die Erde gegeben hat.

 

 

 

Dialog ist, wenn … (2)

Als ich über das Dialogforum in Chemnitz geschrieben habe, war das meine These: Dialog ist, wenn das Reden Selbstzweck ist. Und nichts daraus folgt, keine Taten.

Leider bestätigt sich das, und zwar noch schlimmer, als ich es mir hätte vorstellen können.

#Freital zeigte das, und #ZeltstaDD war die nächste Stufe: Die Landesregierung schafft noch nicht einmal die einfachste Kommunikation zur Unterbringung von Asylsuchenden, nicht einmal gegenüber dem eigenen Asyllenkungsausschuss! Dazu hat Uwe Kuhr hier eine lesenswerten Artikel „Landesregierung lernt nicht aus Fehlern“ geschrieben.

So etwas muss doch Konsequenzen haben?

Dialog ist, wenn … (1)

Gestern habe ich am Dialogforum teilgenommen, welches das Land Sachsen das erste Mal in Chemnitz stattfinden ließ.

Ich habe mich angemeldet, trotz meiner Skepsis gegenüber diesen Veranstaltungen. Aber wenn ich sowieso zwangsläufig als Mensch in meiner neuen Heimat, als Christin und Grüne mit dem Thema Asyl und Pegida zu tun habe, dann gehe ich hin. Als Journalistin war ich natürlich neugierig, das selbst zu erleben. (Die normalen Medienvertreter durften bei den Gesprächen an den Tischen nicht lauschen, da war ich im Vorteil.)

Meine Hauptkritik, die sich bestätigte: Wenn die Leute als ‚Pegida‘ auf die Straße gehen, dann wollen einige ihre Anliegen vorbringen und Gehör finden. Vielleicht gehörten die Leute am ersten Tisch dazu: ein Pro-Chemnitz-Vertreter und zwei andere aus dem Pegida-Lager, die zufällig per Los zusammen an dem Tisch gelandet waren. Ansprechpartner war der AfD-Fraktionsvorsitzender Wurlitzer aus dem Landtag. Der war von jemand anderem zwei Stunden zuvor gebeten worden, den Platz zu übernehmen. Er sagte fast gar nichts. Die anderen hatten ihre Sammlungen mit kriminellen Taten von Asylbewerbern dabei und propagierten Abschiebung als Lösung. Wir sollten laut Anordnung der Veranstalter auf großen Papieren notieren, was uns gemeinsam bewegt. Ich versuchte es: Dass die Erde uns allen gemeinsam gegeben ist? Das war der Mehrheit am Tisch fremd. Eine Frau vom Flüchtlingsrat und ich haben uns bemüht, Informationen zum Thema einzuschleusen. Zum Beispiel, dass auch die Flüchtlinge und andere Ausländer ein Sicherheitsproblem haben mit Übergriffen – von denen die anderen noch nie etwas gehört hatten.

Angeblich hatten sie ihre Klagen schon anderer Stelle vorgebracht ohne Effekt. Überhaupt würde immer alles verheimlicht. „Aber ich habe einen Freund bei der Polizei, der Feuerwehr, der Ausländerbehörde, mein Schwiegervater war der Herausgeber der Zeitung …“ hieß es dann als Quelle der Behauptungen. Merke: In einer Demokratie lassen sich Probleme nicht totschweigen, auch in Sachsen nicht. Sie müssen transparent angegangen werden.

1. Die Leute müssen mit ihren Problemen Gehör finden. Dazu brauchen Verwaltungsleute Mediatoren, Helfer, die sie bei Bedarf dazuziehen können.

2. Wenn Entscheidungen auch gegen den Bürgerwillen getroffen werden, muss um so sorgfältiger kommuniziert werden, die Befürworter müssen gesammelt werden.

Krasses Beispiel am zweiten Tisch: Eine Frauenärztin hört an ihrem Ort von den Gerüchten eines Asylheims mit 150 Plätzen, von den Ängsten und sich entwickelnden rechten Einstellungen. Sie schreiben zu viert an den Landrat, bitten um Informationen, schlagen Alternativen zur zentralen Unterbringung vor. Und die Antwort: Keine.

Diese Frau ging nun nicht wie die Leute aus Perba zur Pegida. Sie meldete sich zum Dialogforum an und wie der Zufall es wollte: Sie saß Ministerpräsident Tillich gegenüber.

OK, wenn man zufällig eine Stunde mit Tillich reden kann, das Problem dieses Landkreises vorbringen, dann hat sich die Einladung gelohnt. Jetzt hoffen wir alle, dass die Inititative dieser Ärztin und der anderen aus ihrem Umfeld Erfolg hat. Ich habe unter anderem auf mehr Transparenz für die Bürger, etwa durch Tage der Offenen Tür, in der Erstaufnahme Ebersdorf gedrängt. Konkrete Zusagen gab es allerdings nicht.

Aber ob so ein Gespräch möglich ist, darf doch nicht dem Zufall überlassen bleiben! Sachsen hat nicht gelernt, die Bürger zur Lösung der Probleme einzubeziehen. Das rächt sich jetzt. Und da ist so ein Dialogforum eine teure Alibiveranstaltung.

Es wäre schon anders, wenn für das Dialogforum  wenigstens im Vorfeld die Themen gesammelt und Experten zugeordnet worden wären. Das zweite Thema Demokratie führte übrigens dazu, dass Bürger ihre Anliegen wegen Wassergebühren, Biokläranlagen, medizinischen Behandlungsfehlern … vorbrachten. Die CDU-Landtagsabgeordnete am Tisch habe daraus eine Bürgersprechstunde gemacht, wurde mir erzählt, aber für die anderen war es unergiebig.

Der letzte Teil in Form einer Fish-Bowl-Diskussion konnte nicht funktionieren, weil die „Fische“ am Rande eines großen akustisch lauten Saals auf einem Podium standen. Vorher überlegt? Auch Tillich hat lieber weiter geplaudert als zuzuhören.

Ich habe gelernt: Was ist ein Gespräch? Was man an den Ergebnissen misst. Was ist ein Dialog? Wo das Reden Selbstzweck ist. Und ein Dialogforum? Wo viele wichtige und dafür bezahlte Leute dabei sind. Und die unbezahlten Bürger sich fragen, was es ihnen gebracht hat.

Fazit: Mit einem soliden Kommunikationskonzept ließe sich die Herausforderung bewältigen, den Flüchtlingen zu helfen. Und Sachsen ein Stück vitaler, bunter und zukunftsfähiger zu gestalten. Dies #dialogmiteinder ist dazu der nullte Schritt. Vielleicht folgt ein erster.

 

 

Und wie ging die Wahl aus?

„Guten Morgen Frau Weyandt,
es geht manchmal sehr ungerecht zu – vermisse Sie sehr in der grünen Fraktion im Stadtrat.
Wahrscheinlich war es äußerst knapp….. Leider ist somit der Sonnenberg ziemlich unter repräsentiert, zumindest qualitativ …“

Ist das nicht eine nette Mail heute von einem, dessen Stimme ich mir gar nicht sicher war? Den ich eher im Sympathisantenkreis einer anderen Partei vermuten konnte?

Warum bin ich nicht drin? Die Einzelergebnisse erfahren wir erst später, wer auf der Liste wie viele Stimmen bekomen hat. Aber fest steht: Wir haben im Wahlkreis Sonnenberg, Hilbersdorf, Ebersdorf, Euba trotz stärkerer Konkurrenz als 2009 etwas dazu gewonnen.
Im gesamten Stadtgebiet haben wir 0,3 % gewonnen, und das reichte zur freudigen Überraschung am späten Abend für den 5. Sitz. Von der Personenzahl haben wir also ein Plus von 25 %!
Da aber von der absoluten Stimmenzahl her der ländlicher geprägte Wahlkreis eines anderen Kandidaten vorne lag, bekommt er den Platz und nicht ich. Damit bin ich trotzdem sehr zufrieden. Denn er kandidierte schon im zweiten Anlauf und hat, seit ich ihn kenne, eine super Arbeit gemacht. Und zwar auch in meinem Stadtteil, in dem er sein zweites Standbein hat. Wir werden also  gut zusammenarbeiten.
Der Wahlkampf hat insgesamt viel Freude gemacht: Themen aufgreifen, mit Leuten reden, Kontakte knüpfen, argumentieren und Verständnis wecken. Mit sehr guter Resonanz haben wir eine Gästetour mit Asylbewerbern als Pilotprojekt durchgeführt – als ein Baustein auf dem Weg zu dem dringend notwendigen gastfreundlicheren Umgang mit den Asylbewerbern in meinem Wahlkreis. Wir waren ein gutes Team auf meiner Liste und mit anderen Unterstützern. Das werden wir sicher als Stadtteilgruppe fortsetzen. Ich bleibe ‚dran.

 

Politik für die Pflege

Gestern war Tag der Pflege. Erstens sowieso am 12. Mai, zweitens speziell als Aktionstag „meiner“ Diakonie. Was liegt näher, als dass ich mich auch einmal von Seiten der Politik für das Thema einsetze? Schließlich hat Chemnitz einen beträchtlichen Altersdurchschnitt, auch wenn wiederum der Stadtteil Sonnenberg der jüngste ist.

In unseren Zielen für den Wahlkreis, die wir in einem extra Faltblatt veröffentlicht haben und zur Zeit in die Briefkästen tragen, steht es drin: „Für ein Leben im Alter im vertrauten Wohnumfeld vorsorgen („Generationenfreundliches Quartier“)“. Der Begriff „generationenfreundlich“ gefiel meinen Mitstreitern spontan gut.

Sehr gut, dass an vielen Orten „Rettungspakete“ mit Unterschriften für Politiker zusammengestellt und übergeben wurden. In Chemnitz ist das allerdings mit einer Einladung an Bundestagsabgeordnete erst später geplant.

Ich werde das auf jeden Fall verfolgen, so oder so. Denn auch wenn sich der Tag dem klassischen Pflegethema widmete, die kommunale Seite verlangt zunehmend Beachtung. Über eine Website der Bertelsmann-Stiftung kann man sich übrgens die Planungsdaten einfach anzeiegn lassen: http://www.wegweiser-kommune.de/datenprognosen/pflegeprognose/Pflegeprognose.action

Ich kandidiere

„Liebe Katharina,

schade, aber verständlich. Wäre nett gewesen, dich mal wieder zu sehen. Alles Gute für deine politischen Aktivitäten und viel Erfolg
Wünscht dir ….

 

Icon_Gruene

So eine nette Mail, als ich mich für einen beruflichen Termin entschuldigt habe, mit dem Hinweis, dass ich für die Stadtratswahlen kandidiere!

Es ist Zeit, hier in meinem Blog Grün aufscheinen zu lassen. Bis zum 25. Mai arbeite ich daran, möglichst viele Menschen in meinem Wahlkreis „an die Urnen“ zu bringen und ihre drei Kreuzchen auf der grünen Liste zu machen.

Ich schwanke ja immer zwischen dem Beobachten und Schreiben und dem eigenen Engagement. Die Zeit als Sonnenberg-Redakteurin hat mich motiviert, auch vom Stadtrat aus etwas für meinen Stadtteil zu tun. Und für die anderen Stadtteile Ebersdorf, Hilbersdorf und Euba. Und natürlich stellt sich für alle aktiven Grünen die Frage der Kandidatur, nicht umsonst haben wir eine Liste von 65 Personen für die acht Wahlkreise zusammen gestellt. Auch viele Parteilose haben sich erfreulicherweise bereit erklärt.

Also kandidiere ich jetzt. Diese Seite wird nicht zur Wahlkampfseite. Dazu werden wir www.gruene-chemnitz.de aufrüsten, welche ich sowieso mit pflege. Und über meine Facebook-Account werde ich mein aktuelles Thema Nr. 1 traktieren. Über Twitter sowieso.

Letztlich ist es eine „teilnehmende Beobachtung“, wie sich so ein Wahlkampf aus der Betroffenenperspektive anfühlt. Ein dickes Plus ist unsere Wahlkreis-Liste und das Unterstützerteam. Spannend wird es allemal, denn bei den anderen Kandidierenden ist auch viel Potential. Man kennt sich gut. Wie treten wir gegeneinander an?

 

 

 

Neues zu: Wer findet das Huhn?

Es tut sich was: Die Guten Botschafter sind aus dem Weihnachtsurlaub zurück und suchen mit. https://www.facebook.com/gutebotschafter

Sie haben ein Bild geschickt, wie es aussieht: Huhn

„Altenheime bald unbezahlbar“

Mit der Pflege kann man Aufreger-Themen plazieren. Dieser Artikel aus der WELT am Sonntag gestern, und schon drucken viele Medien die Nachricht nach.

Und das, wo man mit ein bisschen Sachkenntnis sofort gegenhalten könnte: Das ist nicht Neues. Erst seit der Einführung der Pflegeversicherung gibt es mehr „Selbstzahler“ im Heim. Erst so erreichen es Bezieher normaler Alterseinkünfte, dass sie vieleicht in den niedrigen Pflegestufen mit dem Zuschuss der Pflegeversicherung auskommen. Der ist aber nicht in dem Maße gestiegen, wie es nötig wäre. Wenn deshalb die Zahl der Selbstzahler anscheinend wieder sinkt, kein Wunder.

Intensive Pflege ist teuer. Und dazu braucht es die Allgemeinheit, den Sozialstaat. Konkret übernimmt die Sozialhilfe das, was zu viel ist. Das gilt auch im ambulanten Bereich, zum Beispiel für diese gute Demenz-WG, über die ich neulich geschrieben habe. Da müssen auch die Angehörigen ersten Grades ihren Beitrag leisten, aber es gibt Grenzen, so dass es – ich sag’s hier im Blog mal locker ohne Beispielzahlen – nicht so schlimm für sie ist.

Wer genug Geld hat, der muss es dafür aufwenden, klar. Dennoch  ist die Pflegeversicherung die große Vermächtnis-Schon-Aktion. Eine einfache Rechnung – der Zuschuss wird gezahlt, der Betrag geht nicht vom Erbe ab.

Wenn angesichts dieser Nachricht die Idee ins Gespräch gebracht wird, Pflegeheime ins Ausland zu verlagern wie die Autoteileproduktion, dann steckt ein klares politisches Interesse dahinter. Erstens die Idee, dass ein stabiles Sozialsystem nötig ist, zurückdrängen. Das ist schon bei der allgemeinen Diskussion um die Zuschussrente so. Und zweitens jede Regung, dass Pflegekräfte besser gestellt werden müssten, im Keim ersticken. Es ist ja kein Geld da! Die armen Alten! Wer wird da so selbstsüchtig sein und an die Geldbeutel der Pflegekräfte denken!

Als letztes will ich die positive Seite sehen: Es ist völlig richtig, angesichts der Hilfsbedürftigkeit am Lebensende auch zu rechnen und kreativ zu werden. Der Sohn, der zuerst seine Mutter und andere Alzheimerkranke in Thailand untergebracht hat, hat dort seinen Lebensmittelpunkt. Oder angesichts der Krise in Spanien und Griechenland kann der Gesetzgeber sicher seine Bestimmungen für die Zahlung von Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege durchleuchten, ob nicht für manche Deutschen, die dort hin gezogen sind und kaum Kontakte in der Heimat haben, vor Ort besser Hilfe organisiert werden kann als dass sie zwangweise zurückkommen. Das müsste dann aber entschlossen angegangen werden. Die Probleme dürften nicht allein bei den Auslandsgemeinden und Konsulaten landen.

Sonst ist es ein Nebelkerzenwerfen. Und das hilft niemand.

Sachsen will nicht „Big Brother“ sein

Zuletzt schrieb ich im Juni über den beabsichtigten Kauf einer Schnüffelsoftware durch den Freistaat Sachsen: „Ich bin gespannt, ob und wie sich diese Nachricht verbreitet. Als bekannt wurde, dass die Schufa soziale Netzwerke nutzen will, gab das ja einen deutlichen Abwehrsturm.“

Nun, es musste doch das gute alte Sommerloch kommen und eine klassische Pressemeldung, bis wirklich jemand reagierte. Und einen Tag später Staatskanzleichef Beermann das Projekt für beendet erklärte. Der Tweet von Johannes Lichdi am 20. Juni mit seiner Anfrage war erst mal untergegangen. So viel zum Verhältnis alter und neuer Medien.

Die Begründung von Beermann, mit der er im MDR zitiert wurde, ist allerdings leider auch peinlich: „Die Frage sei gewesen, warum man Geld für eine Suchmaschine ausgeben solle, wo doch jeder mit herkömmlichen Mitteln selbst im Internet suchen könne, begründete Beermann seine Entscheidung. „Das ist nichts, wofür man Geld ausgeben muss.“

Lieber Herr Beermann, so eine Software bietet schon mehr als wenn Sie heute mal kurz Sachsen und Software in der Google-Newssuche eingeben. Wissen Sie das wirklich nicht?

Das wäre eine Gelegenheit gewesen, dem Bürger zu sagen, dass man ihn nicht ausspionieren will und deshalb das Projekt stoppt.

Aber ich will mich erst mal freuen. So ein deutliches Beispiel, was man auch aus der Opposition erreichen kann!

Herr Beermann, jetzt haben Sie viel Geld gespart. Fragen Sie die Bürger doch mal nach Ideen, was man damit machen kann. Die sagen Ihnen das bestimmt gern.

Schnüffelsoftware von Google und Sachsen

„Interessante Trends in Ihrer Webaktivität beobachten

Welche Websites rufe ich häufig auf? Wie viele Suchen habe ich zwischen 10:00 Uhr und 14:00 Uhr durchgeführt? Webprotokoll gibt Ihnen Auskunft hierüber und enthält weitere interessante Informationen zu Trends bei Ihrer Webaktivität.“-

Das verspricht Google mir, wenn ich mein Webprotokoll wieder aktiviere. Als Google+ aufkam, habe ich mich damit beschäftigt und festgestellt: Man kann da etwas tun, um den eigenen Datenschutzkriterien zu genügen.

Ausprobieren: Jeder, der sich schon mal bei Google angemeldet hatte, um irgendeinen Dienst zu nutzen, für den wird zum Beispiel gesammelt, welche Suchanfragen er/sie gestartet hat. Da kann man schon einiges über die Interessen herauslesen. Aber man kann recht einfach alle Häkchen der Zustimmung entfernen.

Denn ich lege keinen Wert darauf, dass mir irgendwann Google voraussagt, wie ich mich entscheiden werde – wie jemand von der Firma mal in einem Interview ankündigte.

Gestern schreckte mich die Nachricht auf, dass Facebook face.com gekauft hat und dann noch besser Personen markieren kann. Picasa macht das ja auch. Da waren auf einmal alle Urlaubsfotos von Menschen – samt der Masken in der Museumsvitrine – zum Benamen präpariert.  Gruselig finde ich das. Wenn ich mal dement bin, dann mag das nützlich sein, die Gesichtserkennungssoftware, die mir den Namen derer, die mir begegnen, auf das Display am Rollator aufblendet. Oder werde ich darauf verzichten wollen?

Jetzt auf jeden Fall noch schnell auf Facebook gucken, dass ich auch alles deaktiviert habe, was mit der Markierung zu tun hat. Und dann den Link zu diesem Blog teilen, dass niemand denkt, ich sei unhöflich…

Sachsen will Software für Blogosphäre-Monitoring

Jetzt überlege ich:  Wie verhält sich dies Datensammeln über mich, was vorgeblich für mich ein Service sein soll, aber klar dem Verkaufen dient, zu dem, was mein Freistaat plant? Ich zitiere aus der Ausschreibung der Staatskanzlei:  „Bereitstellung einer bereits vorhandenen Software zur Beobachtung (Monitoring) der Kommunikation in sozialen Netzwerken und der Blogosphäre (Social Web) für den Freistaat Sachsen; Betrieb der Software auf Rechnern des Auftragnehmers (Betreiberleistung); …..“ – Was wofür wie teuer will Sachsen da was kaufen, fragt sofort der Abgeordnete, für den ich arbeite. http://www.johannes-lichdi.de/datenschutz.html

Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass Sachsen wirklich so etwas anschaffen will. Sicher, ich kenne Inhaltsanalysen und ihre Methoden, aber das macht ein demokratisches Bundesland doch nicht mit seinen Bürgern! Wer stellt denn da die Fragen? Und wer kriegt die Ergebnisse? Und was, verdammt, passiert dann damit?

Ich bin gespannt, ob und wie sich diese Nachricht verbreitet. Als bekannt wurde, dass die Schufa soziale Netzwerke nutzen will, gab das ja einen deutlichen Abwehrsturm. Irgendwie nervt es auch, dass man sagt, schon wieder Sachsen. Aber da wehre ich mich: Das liegt nicht an Sachsen, sondern an denen, die es derzeit und schon lange regieren. Wie  Antje Hermenau sagte: Die beste Imagekampagne für Sachsen wäre eine neue Regierung.