Neujahrsputz: Der Müll und die Stadt

Ich habe mich in den letzten Wochen verstärkt mit Müll beschäftigt. Nicht wegen Weihnachten, obwohl ich da auch mal über den Kontrast nachdachte zu unseren Feiern, nach denen die Tonnen überquellen, und der Krippe mit dem größten Geschenk „in Windeln gewickelt“ damals. Nein, weil im Stadtrat und im Betriebsausschuss, der für die Stadtreinigung zuständnis ist, das Thema auf der Tagesordnung stand. Und weil ich seit Jahren höre und selbst erlebe, wie Müll im Blickfeld auf Straßen und Plätzen die Leute stört. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, dieses Zitat von Watzlawick trifft auch auf die Stadt zu. „Die Stadt spricht mit mir,“ so nenne ich es. Da kann die Stadt von sich sagen, sie habe diese und jene positive Eigenschaften, sich über das Weiterkommen auf dem Weg zu Kulturhauptstadt freuen, aber wenn draußen Müll rumfliegt, spricht der lauter als das Citylight-Plakat daneben.

Ich meine, die Stadt muss schnell etwas dagegen tun. Zu erklären, dass wilder Müll nicht sein müsste und sowieso verboten ist, soweit sind wir schon in Chemnitz. Und wir haben einen Stadreinigungsbetrieb, der „es wegschafft“, so sein Motto. Aber das kostet natürlich, und vor lauter Angst vor erhöhten Gebühren wurde das Problem bisher nicht wirklich angegangen. Jetzt hatte die CDU im Dezember einen Antrag für ein sehr langfristiges Sauberkeitskonzept zum Beschluss vorgelegt. Ja, warten die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unzufriedenheit auf den Tag x?  Wenn doch Probleme wie fehlende Mülltonnen in Parks und bürokratische Wege offensichtlich sind? (Zum Beispiel kannst du in Chemnitz einen Antrag stellen, wenn du Müll melden willst. Anderswo gibt es dafür eine einfache Möglichkeit, man wird geradezu aufgefordert, so etwas zu melden.)  Zu Recht nicht, finden wir Grünen, brachten einen Änderungsantrag ein mit kurzfristigen Maßnahmen und einer Mitmachkampagne, und siehe da, er fand die Mehrheit. Auch eine Weihnachtsfreude.

Mein aktiver Stadtteil Sonnenberg hat mich darauf gebracht, selbst aktiv zu werden, und dadurch mit der Gruppe „Grüne Ideen Sonnenberg“ das Müllproblem gründlicher zu recherchieren und Ideen zu sammeln. Gestern haben wir einen Neujahrsputz veranstaltet. Es gibt schon lange den Frühjahrsputz, den die Stadtreinigung ausruft und derauf dem Sonnenberg von Hanna Remestvenska und dem Stadtteilmanagement organisiert wurde. Da sind an einem Tag 200 Leute in verschiedenen Gruppen aktiv. Nach diesem Modell hatte ich vor ein paar Jahren einen vorweihnachtlichen Putz initiert, zusammen mit Adel Matar, der eine Flüchtlings-Ehrenamtlichengruppe gegründet hatte. Gestern also das erste Mal ein Neujahrsputz, zusammen mit Ingrid Bartl von der katholischen Gemeinde St. Joseph.

Der Müll spricht, die Presse griff meine Pressemitteilung auf und berichtete vorab. Auch über Facebook und die Terminkalender auf der grünen Website und der Sonnenberg-Seite habe ich eingeladen. Und persönlich die Freunde aus der Chemnitzer Brücke sowie die osteuropäischen Männer, die bei den Mutter-Teresa-Schwestern im Stadtteil wohnen. Ungefähr zu einem Drittel waren diese verschiedenen Gruppen dabei, mit Anwohner*innen und Grünen wie Franka Berger aus unserer Nachbarschaft und Bernhard Herrmann, meinem Stadtratskollegen. Alles in allem waren wir am Ende circa 30 Leute. Seit einiger Zeit hat der Stadtteilmanager mit Geld aus diversen Quellen Müllgreifer und Gebührenmarken angeschafft, so dass es viel weniger Organisationsaufwand war als früher.

Die Zeitungen haben das gute Beispiel verbreitet, in der Freien Presse und in der Chemnitzer Morgenpost. Vielen Dank! Schön war auch, dass wir uns dann im Bürgerzentrum Sonnenberg beim Bürgercafé aufwärmen konnten. Diese Einrichtung fand großes Interesse, außer Ingrid und Bernhard und Adel war wohl noch niemand dort gewesen. Und die alten Damen dort sahen wiederum, wer ihren Stadtteil säubert. „Die Stadt spricht“, was ich tue, spricht. Das ist eine Neujahrsbotschaft. Darauf wird geantwortet. Avat Hosseinikakehrash erzählte erstaunt und erfreut: „Als wir sauber gemacht haben, kam eine Familie aus einem Haus und hat gefragt, warum wir das tun. Ich habe gesagt, ‚das tun wir für euch‘, und sie haben danke gesagt und uns umarmt.“

 

Petition: Mit Migration gewinnen

Ich bin ein aktiver Mensch. Das Schlimste als Kind war für mich Langeweile. Ich glaube, das ist es für alle Kinder, wenn sie nicht durch Ablehnung („nun sei doch mal ruhig“) davon abgebracht werden. Schlimm 🙁 !

Deshalb bin ich auch gegenüber Geflüchteten immer eher in der Rolle: „Probier mal, was du tun kannst“. Wer arbeiten will und die Fähigkeiten hat, sollte es auch dürfen. Die ganze Angst, zu viele „Pull-Faktoren“ für Migration zu schaffen, kreuzt sich inzwischen mit dem Arbeitskräftemangel. Wenn eine Firma jemand einstellen will, der nicht von hier ist, dann soll es ihr leicht gemacht werden. Kontrolle, ob auch wirklich Mindestlohn gezahlt wird, muss natürlich sein, aber durch Bürokratie abzuschrecken ist der falsche Weg.

Nachdem im Sommer der jahrelang gewünschte „Spurwechsel“ vom Asylsystem in die Arbeitsmigration nicht gelungen ist, soll Sachsen wenigstens selbst tun, was es kann. Dazu müssen bei den  Koalitionsverhandlungen Maßnahmen verabredet werden. Denn je mehr Migranten in einer Arbeitsstelle das Bild in den Köpfen positiv mitbestimmen, desto besser kommen wir mit der notwendigen Migration klar.

Ausgehend von dem Beschluss auf der Grünen Landesdelegiertenversammlung am 12. Oktober, dass wir Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen, habe ich aus dem Sondierungspapier die entsprechenden Passagen in einem Appell zusammen gestellt. Mit einigen aus der Landesarbeitsgemeinschaft Migration haben ich das besprochen. Für online wurde mir open.petition empfohlen, ein guter Tipp. https://www.openpetition.de/verwaltung/petition/mit-migration-gewinnen-appell-an-die-saechsischen-koalitionsverhandlungen-zu-arbeit-von-fluechtlinge

 

 

Stadträtin

Ich bin wirklich als Stadträtin gewählt worden. Am 21. August ist die erste Sitzung. Eine neue Lebensphase beginnt mit diesen voraussichtlich fünf Jahren im Ehrenamt in unserem schmucken Rathaus. Und wenn ich wie von mir gewünscht in den Sozialausschuss gehe, dann rücke ich damit den Themen meiner früheren journalistischen Arbeit wieder näher.
So weit erst mal!

Politik & Engagement

Politik & Engagement, diese Kategorie in meinem Blog wird in den nächsten Wochen wieder besonders stark meinen Alltag bestimmen. Ich bin erneut als Nummer 1 auf die Liste des Wahlkreises 2 gewählt worden. Am 26. Mai ist die Wahl. Vor fünf Jahren habe ich hier noch etwas zurückhaltender darüber sinniert.  Doch als das Ergebnis knapp ausfiel, es fast gereicht hätte, und ich in Bernhard Herrmann, dem Halb-Sonnenberger, der neu als fünfter in die grüne Ratsfraktion gewählt worden war, einen enagierten Partner fand, habe ich einfach weitergemacht. Mit einer Gruppe haben wir im Laufe der Jahre viele Themen beackert.

Warum nur beschreiben, warum nicht versuchen, dass sich etwas ändert? Als Pressesprecherin der Diakonie Hamburg gehörte die politische Lobbyarbeit über die Medien klar zu meinen Aufgaben. Über das Schreiben und Veröffentlichen in den verschiedensten Themenbereichen habe ich viel Hintergrundwissen. Und ich gehe gerne hin zu den Menschen, rede mit ihnen. Stadträtin wäre ein Amt, bei dem ich all das einbringen kann.  Schaun wir mal.

ich weiß, etwas zu verändern, ist mühsam. Das sehe ich an meinem alten Lieblingsthema Pflege. Jetzt erst startet der neue Pflege-TÜV, und Professor Wingenfeld ist noch dabei. 2011 habe ich mit ihm gesprochen: „Forscher machen erstmals gute Pflege messbar“.

Vier Jahre dauerte diese Fußwegsanierung auf dem Sonnenberg. Aber die Betroffenen freuten sich und schickten eine Dankekarte zu Weihnachten. Ich weiß nicht, was Wingenfeld jetzt sagt. Wenn ich Zeit habe, frage ich ihn. Hier weiß ich, Engagement lohnt sich.

 

Weihnachten in #Chemnitz

Vor neun Jahren feierte ich das erste Mal Weihnachten in Chemnitz.

Damals war es das exotisch-liebenswerte Großstädtchen ganz weit hinten, unbekannt bei den meisten. Das Aschenputtel neben Dresden und Leipzig, so wie mein Stadtteil Sonnenberg der mit dem schlechten Ruf. Beide zeigten mir immer mehr seine guten Seiten. Alte und viele neue, die sich von sanierten Bauten bis zu einem bunteren Stadtleben mit neuen Bewohnern entwickelten. Und die ich erst mit dem privaten Blog und dann mit dem Auftrag der Sonnenberg-ÖA nach Kräften an die Öffentlichkeit brachte und bringe.

Doch da mit einem Mal wurde Chemnitz Ende August auf eine andere Stufe medialer Präsenz katapultiert. Der Sonntagmittag beim Stadtfest, als ich die Nachricht las, ein Mann sei von einem Flüchtling erstochen worden, weil er Frauen beschützen wollte. Später die Meldung der Polizei, der Grund sei nicht erwiesen, aber da war es schon zu spät. Schlimm genug, dass ein Mensch erstochen wurde, da hatte jemand bei der BILD auch noch ein Feuerzeug an ein Pulverfass gehalten. Auf dem Weg später ins Stadzentrum begegnete mir erst eine jüdische Einwanderin, dann eine in der Flüchtlingshilfe aktive gebürtige Libanesin, beide mitKopfschütteln, Entsetzen, was da in der Stadt los sei. Da war der erste Aufmarsch der rechten Hooligans und Konsorten gelaufen, mit der Hetzjagd auf Flüchtlinge an der Zentralhaltestelle. Als ich am Montagabend die Zeit bei den Freunden des Opfers verbrachte, lief die große rechte Demo, aus der heraus Gegendemonstranten angegriffenwurde, weil die Polizei nicht stark genug war. Schlimme Bilder waren zu sehen, wie Rechte zu einem aus seiner Wohnung filmenden jungen Flüchtling hochschauten und die Geste des Halsabschneidens machten.

Mit Zaher und Massumeh bei der Kundgebung der Kirchen am 2. September.

Das betraf mich in starkem Maße, zuerst als Vorsitzende derBrückenbauer Chemnitz e. V., als Mitstreiterin dieserFlüchtlingsarbeit. Dass der Osten für sie nicht so toll ist, mehr Fremdenfeindlichkeit, weniger Infrastruktur durch länger ansässige Landsleute, das fanden die Geflüchteten sowieso schon. Aber jetzt bekamen auch die Unerschrockenen Angst. „Dazu muss etwas gesagt werden auf der Kundgebung der Kirchen am Sonntag“, fand ich. Und wurde mit eingeladen, so dass Zaher Ataie, Sadegh Moussavi undMassumeh Banbertina und andere ihre Situation deutlich machenkonnten. Das Reden von mehr Abschiebung muss aufhören, das nehmendie Rechten nur als Bestärkung für ihre Angriffe, mahnte ich.

Stark engagiert war ich natürlich auch politisch, machte selbst bei Gegendemonstrationen mit. Wir mussten erleben, wie der Beamte, der eigentlich für den Schutz der Verfassung zuständig war, sich ins Zentrum einer Nebendiskussionstellte, ob es „Hetzjagden“ gegeben habe. Als ob wir nicht genug Straftaten typisch rechter Couleur erlebten in den kommenden Wochen.

Nein, abwiegeln hilft nicht, das wusste ich als Journalistin und langjährige Pressesprecherin genau. Mit dieser beruflichen Seite war ich auch wieder gefragt, obwohl ich erst recht keine Zeit hatte, selbst Artikel zu schreiben. Aber das Kölner Domradio interviewte mich, dort hatte jemand den Blog gelesen.

Und ich wurde von Flüchtlingen angesprochen, etwas in die Öffentlichkeit zu bringen. Zunächst bei einer schönen Geschichte, wie einige von ihnen einen Suizidanten vom Sprung in den Tod abgehalten hatten.Da war gerade ein Iraner auf der Schlossteichinsel von der Gruppe„Revolution Chemnitz“ verletzt worden: „Wir werden von Deutschen angegriffen, aber wir helfen Deutschen“, sagten sie.

Und dann, als der Besitzer des persischen Restaurants Safran attackiert wurde. Als ich mich 2015 an einer Serie politischer Friedensgebete in der Innenstadtkirche St. Jacobi beteiligt hatte, hatte ich den Besitzer mit seiner Unterstützerin dazu eingeladen. Es ging um Lage von Flüchtlingen aus dem Iran. Erst im April hatte er sein Lokal eröffnet. Als dort Scheiben eingeschlagen wurden, ein Hakenkreuz aufgeschmiert, telefonierten wir von derChemnitzer Brücke aus mit dem Wirt, als gerade unser Bürgerpolizist zur Sprechstunde da war. Kurze Zeit später war der Wirt selbst angegriffen worden. Er lag im Krankenhaus und war hin- und hergerissen zwischen der – auch seelischen – Verletzung und dem Gefühl, nicht aufgeben zu dürfen, „sonst hätten die Nazis gewonnen“. In diesen Tagen durfte ich ihn bzw. die kleine Truppe inseinem Lokal begleiten, helfen, mit dem Medienansturm klarzukommen – eine besondere Etappe meiner Krisen-PR. Und erlebte, wie er wieder genas und zum starken Sprecher wurde. Wenn er seinen Satz zum x. Malewiederholte, dass 90 Prozent der Chemnitzer nicht böse seien, dann war er viel glaubwürdiger als die Empörten, die sich über dieMedien aufregten.

Auch selbst wurde ich gefragt, sprach mit Journalistinnen und Journalisten, gerne in der Chemnitzer Brücke. Oft war es mehr ein Hintergrundgespräch, ich vermittelte andere Partner, zum Beispiel Thaer Ayoub, der als Syrer für seine neue Heimat Chemnitz kämpft. Manchmal wurde ich auch selbst zitiert.

Durch die Dramaturgie der rechten Angriffe, einer nach dem anderen, danach der 9. November, dann der Besuch der bei den Rechten verhassten Kanzlerin, war für die „Weiterdrehe“ gesorgt.

Und jetzt kommt Weihnachten – wieder ein Anlass, nach #Chemnitz zu schauen, weil der Kontrast zum Weihnachtsmarkt so prägnant ist. „Mölln“ und „Rostock-Lichtenhagen“ sind Symbole geworden, da hat es meine Stadt noch besser, weil hier mehr los ist. Wir müssen nur entschieden fremdenfreundlich handeln, nicht bloß abwarten, dass es „wieder ruhig wird“. Ob das gelingt? Wir beten dafür.

Freunde aus der Chemnitzer Brücke basteln Sterne mit Kindern und Erwachsenen im Tietz bei der Interkulturellen Weihnachtsfeier.

Weihnachten feiere ich wie in den Vorjahren mit Flüchtlingen. Wir feiern den Geburtstag von Jesus, den etliche zu ihrer Freude als Erlöser kennen gelernt haben. Ich war in diesem Jahr öfters bei Taufen zu Gast. Ja, es sind nicht so helle Zeiten der Geschichte wie vor neun Jahren, als ich mitten im der ungetrübten Feierfreunde „20 Jahre friedliche Revolution“ hier ankam. Ja, wir brauchen Hilfe, die Chemnitzer Brücke wünscht sich Spenden. Aber ich fühle mich am richtigen Fleck. Es war ein anstrengendes Jahr. Immer wieder werde ich danach gefragt, gerade in dieser weihnachtlichen Zeit. Hier erzähle ich. Und wünsche von Herzen eine aufmerksame Adventszeit und fröhliche Weihnachten.

Das Opfer Daniel Hillig, die Rechten, Chemnitz

„Die da haben mit der Trauer doch gar nichts zu tun. Daniel würde wegen seiner Hautfarbe selbst von ihnen angepöbelt“, sagt S. und weist auf die Menge, die sich vor dem Karl-Marx-Kopf versammelt hat. Wir sitzen am Abend des #c2708 auf einem Mäuerchen vor der Sparkasse an der Brückenstraße. Hier wurde Daniel Hillig in der Nacht auf Sonntag erstochen. Ein junger Syrer und ein Iraker wurden deshalb festgenommen. Es ging übrigens um Geld, meint S., nicht darum, dass er Frauen schützen wollte. Das hatte BILD zuerst behauptet, „unbestätigte Gerüchte“ zur Titelzeile im Netz erhoben. Und damit die Geschichte angeschoben. Sonntag Abend und mit einem riesigen Aufruf zu Montag Abend wurde von rechten Gruppen nach Chemnitz mobilisiert. Und damit einhergehen Anfeindungen, Angriffe gegen Migranten. Die Polizei hatte die Lage nicht im Griff. Chemnitz ist bundesweit in den Schlagzeilen.

Hier bei dem großen und kleinen Kreis der Grablichter und Blumen herrscht eine andere Stimmung als bei den „rechten und linken Demonstranten“, wie es immer wieder falsch zusammengefasst wird. Nicht viele Frauen und Männer haben sich hier getroffen. Ein Freundeskreis, über Facebook, über die Arbeit, über Freizeit, gemeinsame Geschichten verbunden. Daniel war ein netter und toleranter Mensch, wird mir geschildert. Einer der wenigen in seiner Altersgruppe, der ein Elternteil hatte, das nicht aus Deutschland stammt. Sein Gedenkprofil zeigt locker-besinnliche Sprüche.

S. aus Daniels Freundeskreis kenne ich vom Sonnenberg, meinem bunten und kreativen Stadtteil. Jetzt sind alle geschockt über den gewaltsamen Tod. Und auch über die Art, wie die Politik in ihre Trauer einbricht. Die Rechten haben beim Aufmarsch ihre Blumen niedergelegt. Daniels Tod wird instrumentalisiert, das sieht S. Ja, aber der Wunsch nach einer drastischen Strafe und Abschiebung der Täter ist groß. „Du wirst mich deswegen hassen“, sagt sie. Nein, natürlich nicht. Aber darüber diskutieren wir nicht, wenn einen gestern ein Todesfall betroffen hat. Wir müssen an dem Thema dran bleiben.

Eigentlich eine echte Leistung, dass diese Leute, die den Verlust zu beklagen haben, nicht allen Flüchtlingen die Schuld geben. Sündenböcke entlasten, das suchen auch die, welche polemisch alle Sachsen in einen Topf werfen. Da habe ich den Reflex, meine Heimatstadt Chemnitz verteidigen zu wollen. Schaut doch auf den 1. Mai 2018, als in der Erinnerung die große Machtdemonstration des III. Weges von Gegenaktionen fast überdeckt wurde!

Nein, der braune Bodensatz ist da, er wird aufgewirbelt. Und wächst, wenn die Leute sich nicht beschützt fühlen. Dass die Grünen in Sachsen stark und natürlich vergeblich gegen den Stellenabbau bei der Polizei gekämpft haben, hat mich sehr beeindruckt.

Und dann die verfehlte Kommunikationspolitik und die Fehler der Flüchtlingspolitik, über die ich schon öfter geschrieben habe. (Immerhin hat die Polizei Sachsen aktiv getwittert und wirbt in der Pressekonferenz, ihr dort und auf Facebook zu folgen, um die richtigen Informationen zu bekommen. Aber gegenüber solchen Geschichten ist ihre Reichweite zu begrenzt.)

Das Rechthaben nützt nichts: Es bleibt unser Land und damit unsere Verantwortung. Gerade gegenüber den Flüchtlingen, die jetzt in Angst sind. Meine Freundin Sana, Syrerin in Chemnitz, die selbst zwei Söhne hat, war so erschüttert angesichts der Nachricht. Ich hoffe auf viel Mut bei allen und Gottes Segen.

Das Narrativ

„Wir brauchen ein neues Narrativ“, hieß es vor dem Bundestagswahlkampf aus meiner grünen Partei. Menschen haben das Gefühl,  dass in Sachen Umwelt schon viel getan wird. Die Botschaft der Fukushima-Katastrophe, dass die Atomkraft auch in einem westlichen Land nicht sicher ist, war nicht mehr neu und packend. Die zahllosen Briefe der Energieversorger an die Haushalte zu den Erhöhungen der EEG-Umlage hatten die Energiewende in ein schiefes Licht gerückt.

Und dann das, was als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet wird. Da lautet die sinnstiftende Erzählung in den Köpfen der Noch-nie oder Nicht-mehr-Grün-Wähler: „Es gibt massenhaft Probleme in der Welt, aber Deutschland ist überfordert, wenn alle Flüchtlinge zu uns strömen. Das hat das Chaos Ende 2015 ja gezeigt. Und die Grünen sehen das nicht realistisch genug. Ihre Politik hat sich aus untauglich erwiesen.“

Die wahre Erzählung ist: Die Grünen haben immer gesagt, dass die Abschottung Deutschlands durch die Dublin-Regeln falsch ist. Dass sich da ein Problem aufstaut.  Sie haben während des Syrien-Krieges mehr Kontingente für schutzbedürftige Kriegsflüchtlinge gefordert. Sie fordern schon lange vergeblich ein Einwanderungsgesetz. Sie bestimmen weder in der Bundesregierung die Asylpolitik noch in den meisten Ländern, wie sie umgesetzt wird. Hier in Sachsen hat Petra Zais, die migrationspolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zum Beispiel schon 2013 einen Ausbau der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz-Ebersdorf gefordert. Wurde auf die lange Bank geschoben.

Was läuft alles schief! In den Blogbeiträgen der letzten Jahre habe ich Beispiele genannt. Dazu kam die Aussetzung des Familiennachzugs. Die Hoffnung aus den Sondierungsgesprächen zur Jameika-Koalition haben sich zerschlagen. Was hat diese Politik, erst sich abzuschotten und  dann mit einer unklaren Botschaft die Grenzen zu öffnen, für Schaden angerichtet? – Dass ein AKW havariert, kann man den Grünen nicht in die Schuhe schieben. Aber bei allem, was mit Flüchtlingen los ist, sind sie irgendwie mit schuld, denn sie setzen sich ja für sie ein. Ja, aber doch nicht für diese Bedingungen!

Warum erzähle ich das alles? Selbst erlebt habe ich viele schöne Geschichten: mit der Flüchtlingsarbeit der Brückenbauern Chemnitz, etwa bei der Fahrt nach Buchenwald. Die unterstütze ich auch als Vorstandsmitglied, was sehr viel Freude macht. Das erste Mal im Leben seit der Studienzeit bin ich so viel ehrenamtlich aktiv. Und privat habe ich wertvolle, lern- und hilfreiche Beziehungen zu geflüchteten Menschen. Politisch wären ein Mix aus Asyl-, Migrationspolitik und Hilfe vor Ort richtig. Mein Narrativ ist rund. Hier in Chemnitz gibt es zudem den Vorteil der demographischen Randlage: keine ausländischen jungen Leute auf der Straße heißt: keine bzw. viel weniger  junge Leute auf der Straße. Ich will das nicht.

Aber wie kriegen wir das Narrativ in mehr Köpfe und „Bäuche“ hinein? Ganz einfach und deshalb so schwer: Es muss wahr sein.

  • Die Regierenden müssen mit ganzer Kraft Richtung Integration gehen statt mit Abschreckung das zerstören, was andere versuchen aufzubauen.
  • Und die Verwaltungen müssen allen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Respekt und Freundlichkeit zeigen.
  • Rechtsverstöße müssen schnell geahndet werden.
  • Die geflüchteten Menschen müssen als Manager ihrer neuen Existenzgründung angesprochen werden, jedenfalls die große Mehrheit, die dazu in der Lage ist. Das Jobcenter ist den Umgang mit Menschen mit ganz anderen Voraussetzungen gewohnt.
  • Deutschland muss international gegenüber potentiellen Flüchtlingen und Migranten intensiv kommunizieren, sich und seine Bedingungen erklären. Letztes Jahr habe ich diesen epd-Artikel über Gerüchte verlinkt, nun fand ich dies Interview mit der zitierten Expertin „Die Mythenzertrümmerin“. Bitte nicht lesen ohne ihre letzte Antwort: „Hungernden Menschen, denen Bomben auf die Köpfe fallen, können wir nicht erklären, dass sie bleiben sollen. Unser Ziel ist es, Ausbeutung, Menschenhandel und Missbrauch zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Entscheidungen auf der Basis verifizierter Informationen treffen. Wer nicht unbedingt weg muss, überlegt es sich vielleicht. Leider denkt Europa sowohl geografisch als auch zeitlich viel zu kurz. Wenn Flüchtlinge in der Region ein Einkommen und ihre Kinder eine Ausbildung haben, bleiben sie; wenn nicht, gehen sie. Für Flüchtlinge, die keine andere Wahl haben, braucht es legale Wege, um in Europa Schutz zu finden. Sonst treibt man sie den Schleppern in die Arme.“

Meine Bastelarbeit mit Kindern beim Kiezweihnachtsmarkt vor der Tür. Ganz einfach. Leuchtet 🙂

Warum erzähle ich das? Weil ich anderer Stelle so viel kommuniziere, hat sich mein persönlicher Blog zu einer Art Jahresschlussrede entwickelt. Zu einer Art Weihnachtsbotschaft. Ich halte hier fest, was mir wichtig scheint. Als ich den letzten Text von 2016 las, hätte ich ihn fast erneut übernehmen können. Doch tun sich neue Problemhorizonte auf. Wenn wir selbst in einem stabilen Land mit halbwegs abgefederten sozialen Gegensätzen leben wollen, dann müssen wir auch klären, wie wir mit denen umgehen, die einen Krumen davon abhaben wollen. Berechtigterweise. Das Kind in der Krippe, was mit immer härterem Geschenkaustausch „gefeiert“ wird, hat jedenfalls später den Weg der Liebe gepredigt. Und zwar nicht als Moral, sondern Lösung.

„Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“, das ist der realistischste Lösungsvorschlag, den ich kenne. Weil dahinter die größte Macht steht. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

P.S. Hier ist der Weihnachtsrundbrief der Chemnitzer Brücke. Ich wünsche mir dies Jahr ganz konkret Spenden für die Arbeit, konkret für die Johns Anstellung. Seine Frau ist übrigens Journalistin und hat mir kürzlich einen ganzen Packen Belegkopien ihrer Artikel gezeigt.

 

Weihnachten und Aleppo 2017

Blieb es früher manchen Weihnachtspredigten vorbehalten, auf den Kontrast zwischen der unfriedlichen Welt und dem Kommerz-Fest hinzuweisen, so ist das in diesem Jahr auf den Titelseiten. Aleppo. „Did you hear the news from Aleppo?“ fragte mich gestern ein syrischer Freund. Meine Antwort war unterlegt mit viel Ratlosigkeit und schlechtem Gewissen.

Tagesspiegel-Titel, Quelle: Twitter TagesspiegelUnd es ist ja noch gar nicht Heiligabend. Wieder rufen manche in meiner Twitter-Timeline „Jemen„. Fünfzig Flüchtlinge sind nach Afghanistan abgeschoben worden – Pro Asyl versucht Aufmerksamkeit durch einen Adventskalender herzustellen.

Ich werde nicht weiteres aufzählen. Ihr wisst, dass ich die Weltlage verfolge. Und seit meinem Politikstudium hat sie sich mehrfach gedreht. Zuletzt in diesem Jahr, seit die einen in größerer Zahl als bisher hier mit Helfern ihre persönliche Lösung auf all die Schrecken suchen – Flüchtlinge auf der Suche nach einem neuen Anfang oder wenigstens einer sicheren Bleibe für den Übergang – und die anderen in der Abwehr ihre Zuflucht suchen. Gegen fremdenfeindliche Demos hat man noch Mahnwachen veranstaltet. Was tut man gegen die Antworten aus dem Sachsenmonitor?

Ja, man kann viel tun, ich weiß. Es gab und gibt Lösungen für viele Probleme. Wenn der Grundwert aber der Egoismus ist, wird es schwierig. Überall übrigens. Die Reichen in den meisten Ländern raffen eher für sich und sorgen nicht für soziale Stukturen.

Trotzdem werden wir nicht müde. Müdigkeit droht angesichts der ungewohnten Zahl der schlechten Nachrichten. Sich umzustellen in der Wahnehmung und Verarbeitung kostet Kraft. Hilfreich ist – und das ist mein persönlicher Kommunikationstipp: die dunklen Sätze der Bibel bewusst wahrzunehmen. Es gibt das Böse, es gibt Kampf, es gibt schreiendes Unrecht. Die Texte aus der Advents- und Weihnachtszeit waren nicht in friedliche Zeiten hinein gesprochen. Und dann noch einmal zu überlegen, ob da der Weg zum Licht ist.

Stellvertretend denke ich an diesen Satz aus Jesaja „Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.“ Aber lest auch einmal das Drumherum. Oder wagt euch an die Apokalypse.

Aleppo Weihnachten 2017. Wenn Merkel „die Not das Herz bricht“, aber man die Grenzen dicht macht, ein paar Tage zuvor noch auf dem CDU-Bundesparteitag verspricht, etwas wie 2015 werde sich nicht wiederholen – weil die Partei das hören will, weil sie denkt die Mehrheit der Wähler will das – dann rate ich, noch genauer auf die Werte zu gucken. Und wünsche allen, die auf diesem Weg sind, viel Kraft und Munterkeit. Frohe Weihnachten 2017!

Mit Flüchtlingen direkt kommunizieren

Eine neue Zielgruppe ist im Land. Oder Dialoggruppe, wie manche sagen. Das passt hier besonders gut, denn es geht um den Dialog: mit den Flüchtlingen. In den Angelegenheiten, die sie betreffen, ihren Weg in die deutsche Welt zu finden. Sie sind angekommen, wurden im besten Fall willkommen geheißen. Aber dann sind viele Schritte zu tun. Was und wie, erfahren sie meistens nicht direkt, sondern über Multiplikatoren, berufliche oder ehrenamtliche Betreuer. Das ist ein Nadelöhr. Der Betreuungsschlüssel 1:80 hier für Flüchtlinge in der eigenen Wohnung reicht höchstens für die dringenden bürokratischen Angelegenheiten. Und wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist – dann haben sie diese Betreuung nicht mehr (falls nicht nette Menschen einfach ehrenamtlich weiter helfen.)

Für deutsche Zielgruppen gibt es Infokampagnen zuhauf. Zum Beispiel, um Berufsorientierung zu bieten. Wenn da ein Absender ist und ein Etat, na, dann wird etwas ins Netz gestellt, werden Broschüren gedruckt. Es werden Veranstaltungen konzipiert, durchgeführt… Alles gut, nur für Flüchtlinge gibt es das so gut wie gar nicht.

Rühmliche Ausnahme: In Chemnitz findet morgen zum 5. Mal die Integrationsmesse statt. Letztes Jahr, als schon merklich mehr Flüchtlinge da waren, haben wir mit syrischen Nachbarn und Besuchern der Brücke diese Messe besucht. Da fiel allerdings auf, dass es kaum fremdsprachiges Angebote gab. „Ja, die müssen ja erst mal Deutsch können, wenn sie bei uns arbeiten wollen“, war die Antwort auf meine Frage nach arabischen Flyern.

Natürlich, aber warum muss man erst Deutsch können, bevor man eine Chance bekommt, das deutsche System, wie man Arbeit findet, auch nur ansatzweise zu verstehen? Brauchen wir nicht alle eine Vision von dem, was wir erreichen können, um motiviert zu sein, uns dafür anzustrengen?

Um deutschen Boden zu betreten, dafür haben die Flüchtlinge meist große Anstrengungen auf sich genommen. (Geleitet waren sie auch von viele Gerüchten – mehr dazu in diesem Artikel. Aber angesichts sich ständig ändernder Asylgesetze gab und gibt es auch schwer wenig hieb- und stichfeste Aussagen. Eine Info-Kampagne sollte nicht abschrecken, sondern helfen.)

Um hier Arbeit zu finden außer den üblichen Jobs im Imbiss eines Freundes, brauchen sie echte Informationen. Wie erreicht man sie?

  • Flyer und Broschüren haben die bekannten Nachteile: teuer, unflexibel in der Distribution, schnell veraltet – und schnell verkramt, verloren.
  • Websiten sind oft auf dem Smartphone schwer zu lesen, die Links bis zu dem einen .pdf auf arabisch kaum zu finden, wenn das ganze Menü auf deutsch ist
  • Deshalb ist international Facebook erfolgreich, also habe ich den Facebookauftritt https://www.facebook.com/christian.bruckenbauer gestartet. Extra als Personenseite, denn die Freundschaft, die Beziehungen, sind in den nicht-westlichen Kulturen ja sehr wichtig. Eine Veranstaltung zu besuchen, bloß weil man ein Plakat gesehen hat – eher nicht. Eingeladen zu sein, möglichst persönlich und mehrfach, das klappt eher.

Um Informationen zu vermitteln, haben wir uns als „Brückenbauer Chemnitz e. V.“ mit praktischen Projekten beteiligt. Wir starteten mit der Veranstaltung „Wie finde ich Arbeit?“

Zum anderen speziell mit dem Thema Pflege. Das Projekt „Nachwuchs für die Pflege“ ist in vollem Gange. Im Juli dürfen wir eine Pflegeeinrichtung besuchen. Das Interesse ist da.

 

 

Wie entwickeln wir eine sinnvolle und nachhaltige SM-Strategie?

Am 30. Februar 2016 fand in Dresden der erste Social Media-Fachtag statt, ökumenisch veranstaltet von Landeskirche und Bistum. Ich habe zwei mal den Workshop „Wie entwickeln wir für Social Media eine sinnvolle und nachhaltige Strategie?“ gehalten. Hier die Stichworte zu meinem Input:

  1. Ziel für SM-Aktivität beschreiben
  2. (Erfahrungen als Nutzer sammeln)
  3. Mit Mut! Aufmerksamkeit wird ständig neu verteilt
  4. Mit Vertrauen! Spreizung der Mediennutzung – wir werden nicht alle überzeugen
  5. Profil klären: Wer bin ich? was habe ich zu sagen? was bewegt meine Zielgruppe? Lustiges, rührendes, empörendes (Facebook-Person oder Seite?)
  6. Zeitbudget klären (Arbeit /Freizeit)
  7. Infrastruktur klären: Dienst-Mailadresse?! Dienst-Smartphone?
  8. Vom Content her denken: 1 Text/Foto (Inhalt) über verschiedene Kanäle (Website als Standbein, Social Media als Spielbein)
  9. Veranstaltungswerbung kommt an Facebook nicht vorbei
  10. Crossmedial arbeiten – auch mit Gebäuden, Kleidung, Bildern, Gegenständen: Beispiel prominente Kirchen als „Ort“ bei Facebook
  11. Gelegenheit zum Teilen, Folgen, Kommentieren geben – selber teilen
  12. Im öffentlichen Leben, im Umfeld meiner Resonanzgruppe auftauchen
  13. Unterstützung holen – Technik, Bilder, Videos

Nicht vergessen: Social Media ist ein Tool aus dem Werkzeugkasten, eine übergreifende ÖA-Strategie und z. B. prägnante Texte und Bilder bleiben wichtig.