Cui bono? – Was wir daraus lernen können

Vorgestern hatte das Sachsen-Fernsehen einen Sturm der Entrüstung entfacht über einen satirischen Chemnitz-Artikel. Die Freie Presse griff es auf, und das Sachsen-Fernsehen legte gestern in  einem Telefon-Interview mit dem Autor Michael Gückel nach.

Nur blöd, dass man sich vor dem Interview noch mal Teile des Textes vorlesen lassen musste und Bilder dazu angucken. Denn so gut war der Text nicht, und schon gar kein Script für eine schnelle Film-Doku.

Zwei Dinge finde ich bemerkenswert:

1. Ein Text, aus dem Zusammenhang gerissen, ist missverständlich. Und das auf jeden Fall bei der letzten Seite dieser Tageszeitung, die schon immer in vieler Hinsicht anders ist und anders sein will. Wetten, dass die Reaktionen nie so heftig gewesen wären, wenn alle erst die ganze Zeitung in die Hand genommen hätten und sich bis zur „Wahrheit“ durchgeblättert hätten?

2. Die meisten Reaktionen waren weit schlimmer als das, was der Autor geschrieben hat. Vorurteile oder schlechte Meinungen über meine Stadt und meinen Stadtteil sind eine willkommene Gelegenheit, einen Missionsversuch zu starten. Wie hier  Schreiber über den Journalisten und die taz hergefallen sind, das ist peinlich. Gerade das erschüttert meine Identifikation mit Chemnitz.

Es waren zum Glück ein paar andere dabei, zum Beispiel Professorin Christine Weiske outete sich als Abonnentin und bot der Redaktion Hilfe mit einem Bericht an. Die Idee vom „Weinandsmann“, dass es ein Trick vom Stadtmarketing sei, der Redaktion den Text unterzuschieben, damit sich Chemnitzer lautstark zu ihrer Stadt bekennen, ist nett, aber hat noch nicht geklappt.

Hoffen wir, dass der Kommentierer „Herrb“ recht hat – der außerdem an eine ähnliche Affäre erinnert, als ganz Polen auf den Barrikaden war:

„Die Wahrheit ist keine Satire-Seite der TAZ sondern schon lange eine Beleidungsseite. Gelegentlich muss ich trotzdem über die Texte lachen. Zum Beispiel als der polnische Präsident Lech Kaczynski im gleichen Stil als sprechende, dümmliche Kartoffel herunter geputzt wurde (was übrigens zur Einbestellung des deutschen Botschafters in Warschau führte). Zwei Vorteile hat dieser Artikel für Chemnitzer. Zum einen: Publicity ist Publicity (jede Presse ist gute Presse) und zum anderen wird es wohl wieder einfacher, die heile Welt verstörter Wessis einstürzen zu lassen, wenn sie hierher kommen. Das macht immer viel Spaß. Leider bröckelt der schlechte Ruf von Chemnitz inzwischen ganz schön. Da ist Nachschub nicht schlecht. Also gemach. :-)“

Vorheriger Beitrag
Nächster Beitrag

Schreibe einen Kommentar